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gehaltvoll: Die Kunst der Synergie
Dreißig Jahre nehemia team Franken und der Umgang mit anderen Kulturen
ge|halt|voll: Wir haben uns schon In der Praxis ist das nicht einfach, eingestiegen sind, gab es oft Pro-
gekannt, als in den 1980er Jahren weil einem in vielen Ländern bleme (Gebäude wachsen schnell,
das nehemia team entstanden ist. Asiens und Afrikas als „Westler“ Menschen wachsen langsam - das
Ein Kompliment, was sich in die- meist eine Sonderstellung einge- gilt übrigens auch für Projekte in
sen fast 30 Jahren alles entwickelt räumt wird (man ist ja oft auch Deutschland).
hat. Du warst der Mitbegründer der „Geldgeber“ und in manchen Ein weiterer wichtiger Punkt, den
und hast viele Länder auf dieser Bereichen „Know-how-Träger“). ich gelernt habe: Die beste Idee
Welt bereist. Ich denke an deine Es entspricht aber auch unserer meinerseits nützt nichts, wenn sie
Besuche in Gefängnissen in Ar- westlichen Mentalität, die sehr in- nicht von jemandem im betreffen-
gentinien oder in verschiedenen dividualistisch geprägt ist, in sol- den Land geteilt und gelebt wird.
Ländern Asiens. Überall hast du chen Beziehungen gegenüber den So senden wir nur noch in Aus-
Projekte angestoßen. oft eher zurückhaltenden Asiaten nahmefällen Deutsche langfristig
Meine Frage, passend zum Thema oder Afrikanern zu dominieren in ein anderes Land. Es macht viel
dieser Ausgabe: Was hast du bei und vorschnell die Führungsrolle mehr Sinn, junge einheimische
diesen Projekten über die Zusam- zu übernehmen. Am schwierigs- Männer und Frauen zu finden,
menarbeit mit Menschen aus an- ten ist es dann, wenn wir denken, die einen Traum, eine Vision für
deren Kulturen gelernt? wir hätten ja die Lösungen und etwas haben, das ihr Umfeld oder
wüssten, wie es funktioniert. (Was Land verbessert, und diese jungen
Hans Heidelberger: bei uns funktioniert, muss noch Leute zu begleiten, zu ermutigen,
Andere Menschen sind schlicht- lange nicht in anderen Kulturen auszubilden und ihnen zu helfen,
weg ANDERS - und das gilt insbe- funktionieren.) diese Vision umzusetzen. Wir sind
sondere für Menschen aus anderen Aber auch im Umgang mit Kon- von Beginn an, gemäß unserem
Kulturkreisen: Sie sind ANDERS! flikten müssen wir lernen, wie wir Motto „Helping others grow“,
Nicht besser oder schlechter als sie kulturübergreifend und doch in der „Unterstützerrolle“ und
wir, aber in vielen Bereichen AN- kultursensibel lösen können. die Verantwortung liegt bei dem/
DERS. Das macht die Zusam- den „Einheimischen“ und nicht
menarbeit mit Menschen aus an- ge|halt|voll: Sicher sind auch bei uns in Deutschland. Dadurch
deren Kulturen auf der einen Seite Projekte gescheitert. Hast du auch entwickelt sich „Ownership“ und
oft schwierig – aber auf der ande- daraus etwas lernen können? ein späterer Leitungswechsel von
ren Seite auch ungemein reizvoll: „Westlern“ zu „Einheimischen“,
Immer da, wo ich mich auf andere Hans Heidelberger: der erfahrungsgemäß sowieso fast
Kulturen einlasse, betrete ich ein Natürlich hat nicht alles funktio- nie funktioniert, ist nicht nötig.
riesiges Lernfeld. niert. Fehler geschahen außerdem im-
Dieses wechselseitige Lernen ist Schwierig war es immer dann, mer dort, wo wir versucht haben,
möglich, wenn man sich auf Au- wenn zu viel Geld involviert war Dinge „auf deutsche Art“ umzu-
genhöhe begegnet und der Raum (geldmotivierte Mitarbeiter sind setzen, und zu wenig die Kultur
für persönliche Beziehung und langfristig nicht automatisch die des jeweiligen Landes/Stammes
Freundschaft gegeben ist. besten). Auch wo wir zu groß verstanden haben.
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